Change-Management – so heißt der Fachbegriff, von dem alles abhängt. Zumindest wenn es darum geht, Mitarbeiter von klassischen Büroräumen in ein papierloses Großraumbüro ohne feste Sitzplätze umzusiedeln. Mit umfangreicher Vorbereitung, Schulung und Begleitung des Prozesses sei eine solche Umstellung kein Problem, sagen Unternehmen, die dieses Modell in ihren Büros eingeführt haben.
Die Architekturpsychologin Christina Kelz weiß, dass es auch Argumente gibt, die gegen das Großraumbüro mit freier Platzwahl sprechen: "Es gibt viele Studien, die das Desksharing-Modell aus der psychologischen Perspektive betrachten. Die Ergebnisse sind bei vielen, dass die Mitarbeiter die Identifikation verlieren." Für die meisten sei es wichtig, einen fixen Arbeitsplatz zu haben, den sie mit persönlichen Gegenständen personalisieren und sich aneignen können. "Man identifiziert sich dann stärker mit dem Arbeitsplatz und mit dem Unternehmen", sagt Kelz.
Das Foto von Frau und Kindern, das jahrelang auf dem Schreibtisch stand, ist aber vielerorts Geschichte. Wie sehr sich eine solche Veränderung auf die Mitarbeiter auswirkt, hängt auch von der individuellen Persönlichkeit ab: "Introvertierte Mitarbeiter tun sich mit solchen Konzepten viel schwerer als extrovertierte", sagt Kelz. Und auch ältere Mitarbeiter könnten oft schwer mit einer solchen Veränderung umgehen, sagt die Architekturpsychologin.
Mitarbeiter beteiligen
"Das Schlimmste wäre, die Menschen bei solchen Veränderungen alleinzulassen. Es braucht managementtechnische und organisatorische Begleitung. Zudem müssen die Mitarbeiter am Umstrukturierungsprozess beteiligt werden", sagt Kelz. Zudem brauche es Stauräume, in denen jeder Mitarbeiter seine persönlichen Dinge aufbewahren kann. Ein weiterer und besonders wesentlicher Punkt im Großraumbüro sei die Privatheit. "Auch im Großraumbüro braucht es kleinräumige Bereiche, um Lärm und somit Konzentrationsschwierigkeiten zu vermeiden."
Dass der Alltag im Großraumbüro gut funktioniert, versichern die Sprecher von Microsoft und Erste Group – beide Unternehmen haben das System der freien Arbeitsplatzwahl umgesetzt. Hauptgrund dafür: Eine Vielzahl der Arbeitsplätze im herkömmlichen Büroalltag vor der Umstellung wurde nicht genutzt. "Studien haben uns gezeigt, dass 70 Prozent der Schreibtische unbesetzt waren, weil die Mitarbeiter Termine hatten. Wenn sie doch im Haus waren, verbrachten sie 70 bis 80 Prozent der Zeit in Meetings", sagt Microsoft-Sprecher Thomas Lutz.
Arbeitsplätze für 80 Prozent
Bei der Erste Group gibt es aus diesem Grund im neuen Hauptquartier, dem Erste Campus beim Belvedere, nur mehr für 80 Prozent der Mitarbeiter Arbeitsplätze, die den Vorgaben des Arbeitsinspektorats entsprechen. "Insgesamt haben wir aber Plätze für 120 Prozent. Zusätzliche Sitzmöglichkeiten gibt es etwa im Garten", sagt Unternehmenssprecher Michael Mauritz.
"Kritiker sagen aber, dass es bei diesen Modellen stark um Kosteneinsparung geht, weil weniger Raum und Infrastruktur benötigt werden", erzählt Psychologin Kelz. "Wer aber ohnehin den ganzen Tag nur in Meetings verbringt, braucht nicht unbedingt einen fixen Schreibtisch."
Auf die Umstellung ausgiebig vorbereitet und dabei begleitet wurden laut Angaben der Unternehmenssprecher sowohl die Mitarbeiter von Microsoft als auch jene der Erste Group. Dennoch gibt es vereinzelt noch Hemmungen: "Manchen fällt es schwer, ihr eigenes Reich aufzugeben", sagt Mauritz. Um diese Mitarbeiter kümmere sich ein Team, das versucht, anfallende Probleme zu lösen.
Auch bei Microsoft gibt es ein paar Mitarbeiter, "die gegen den Strom schwimmen" und sich wieder fixe Arbeitsplätze angeeignet haben: "Nicht alle können gleich gut verzichten", sagt Lutz, "aber Ausnahmen muss man als Unternehmen auch zulassen können."
(Quelle: derstandard.at, Bernadett Redl)