Rund 523 Kilometer liegen zwischen der deutschen und der österreichischen Hauptstadt, eigentlich stehen sich Berlin und Wien aber viel näher. Bei Trends und Problemen am Hotelmarkt ist man sich ähnlich, wie Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung, und ihr deutsches Pendant Willy Weiland, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes Berlin, bei einer Konferenz vergangene Woche betonten. Daher treten die Städte auch international gerne gemeinsam auf, meinte Norbert Kettner von Wien Tourismus: "Sie sind ähnlich und unterschiedlich genug, um sich gemeinsam zu vermarkten."
Freilich - die Dimensionen sind andere: 27 Millionen Übernachtungen gab es 2013 in Berlin, in Wien waren es etwas mehr als zwölf Millionen. In Berlin haben Gäste laut Weiland die Wahl zwischen rund 800 Beherbergungsbetrieben, in Wien gibt es gut die Hälfte davon. Doch in beiden Städten wächst der Markt munter weiter: Bis 2017 werden in Berlin 8400 zusätzliche Zimmer dazukommen, in Wien sind es allein 2014 1400.
Vom Image her unterscheiden sich die Hauptstädte: Wien steht nach wie vor für die Habsburgermonarchie. Berlin ist hip und zieht vor allem die Jungen an.
Luxus in Wien, hip in Berlin
Das wirkt sich auch auf den Hotelsektor aus: In der einstigen k. u. k. Metropole schießen die Luxushotels nur so aus dem Boden - etwa das neue Park Hyatt, das im Juni eröffnen soll -, in Berlin tut sich im Luxussegment seit Jahren nicht viel. In den letzten fünf Jahren sind laut Weiland bis auf das Waldorf Astoria mit 200 Betten keine neuen Luxusbleiben dazugekommen. Auch für die nächsten Jahre weiß er von keinen Fünf-Sterne-Hotelprojekten - Interessenten würden sich aber durchaus am Markt umschauen.
Dafür ist der Hotelmarkt in Berlin laut Weiland sehr modern: "Die Stadt hat in den letzten 15 Jahren eine völlig neue Hotellandschaft erhalten." Auch die älteren Hotels hätten mittlerweile gleichgezogen. Angesichts einer "neuen Generation an Hotelkonzepten" wie dem Soho House Berlin hinkt Wien hinterher.
Für die Unterschiede sind auch lokale Gegebenheiten verantwortlich: In Berlin gibt es laut Weiland in der Innenstadt freiliegende und zum Verkauf stehende Grundstücke. Diese Flächen würden auch von Budgethotels, etwa dem Motel One, genützt.
In Wien sieht es mit Grundstücken in zentraler Lage schlechter aus - die meisten Hotels, die in der Innenstadt eröffnen, befinden sich daher in altehrwürdigen und renovierten Prachtbauten, was für ein Budgethotel nicht rentabel ist.
Große Ketten für Investoren
Auch abseits vom Luxussektor tummeln sich internationale Ketten in den Städten. Reitterer findet die zunehmende Dominanz internationaler Ketten am Wiener Hotelmarkt problematisch. "Es hat Wien sehr lange ausgemacht, dass es kleine, individuelle Hotels gab", sagt sie. Momentan sei der Markt aber so gesättigt, dass sich Private nicht trauen würden, ihr Geld in ein Hotel zu stecken. Neue Hotels werden trotzdem gebaut - aber nicht, weil der Bedarf vorhanden ist, glaubt Reitterer, sondern weil Investoren Geld anlegen wollen. Dafür würden sie die Sicherheit internationaler Ketten bevorzugen.
Sie kritisiert, dass am neuen Hauptbahnhof nun insgesamt 2500 Betten in Kettenhotels dazukommen: "Da ist nicht wirklich viel Innovation herausgekommen." Außerdem habe sich der Drei-Sterne-Markt, in dem die Hotelprojekte im neuen Stadtteil angesiedelt sind, in den letzten Jahren aufgrund von Positionierungsproblemen am schlechtesten entwickelt.
Abheben als Ziel
Bei den Preisen internationaler Ketten können kleinere Hotels oft nicht mithalten. Müssen sie auch nicht, findet Reitterer: "Wenn ich nichts anderes habe, das mich von den Mitbewerbern abhebt, dann muss ich mich über den Preis verkaufen", sagt sie.
Ziel sollte aber sein, einen Unique Selling Point zu finden und sich über diesen zu vermarkten. Bei Reitterers Hotel, dem Boutiquehotel Stadthalle, sei das die Tatsache, dass es ein preisgekröntes Niedrigenergiehaus ist.
Professionelle Vermarktung wird auch für Weiland immer wichtiger. Er betont etwa die Wichtigkeit einer optimalen Präsentation in den Social-Media-Kanälen. Außerdem müssten die Evaluierungen von Hotelgästen auf Online-Bewertungsplattformen ernst genommen werden.
Was Gästen laut Weiland zunehmend wichtig wird: das Gefühl, wie Einheimische zu leben, und nicht in einer anonymen und austauschbaren Bettenburg. Das werde durch den Erfolg von Plattformen wie Airbnb, wo Menschen ihre Privatwohnungen an Urlauber vermieten, deutlich.
Sättigung am Wiener Markt
Am Berliner Hotelmarkt sind auch österreichische Unternehmen umtriebig: Die Vienna-International-Hotelgruppe etwa betreibt in der Hauptstadt das Vier-Sterne-Designhotel Andel's. Mit Konferenzflächen von 3800 Quadratmetern richtet man sich seit fünf Jahren gezielt an ein Konferenzpublikum. 35 Hotels betreibt das Unternehmen in Europa und Russland - drei davon auch in Österreich.
Aber keines in Wien: Man habe "sehr ernsthaft nach Projekten gesucht", aber: "Wir sehen Tendenzen der Sättigung", so der Vorstandsvorsitzende Andreas Karsten: Der Fünf-Sterne-Bereich drücke in den Vier-Sterne-Bereich.
Auch Martin Löcker, Vorstandsmitglied des österreichischen Immobilienentwicklers UBM, der Miteigentümer des Andel's ist, winkt mit Blick auf den Wiener Markt ab: "Von 7000 Hotelzimmern, die die UBM gebaut hat, sind nur 200 in Österreich. Das hat einen Grund."
Quelle: Franziska Zoidl, DER STANDARD, 8.3.2014