Das Geschäft mit Vorsorgewohnungen läuft nach wie vor gut: Der Markt blieb laut dem Immobiliendienstleister EHL Immobilien im Vorjahr auf hohem Niveau. Rund 650 Wohneinheiten seien verkauft worden, und die Renditen mit 3,2 bis 3,5 Prozent weitgehend unverändert geblieben. Man erkenne einen Trend weg von zentralen Lagen zu Bezirken außerhalb des Gürtels, etwa Donaustadt, Floridsdorf und Rudolfsheim-Fünfhaus, berichtet Sandra Bauernfeind, Leiterin der Abteilung Wohnen von EHL Immobilien.
Auch bei der Finanzierung habe es Veränderungen gegeben: Der Anteil an Fremdkapital sei im Vergleich zu den letzten Jahren wieder gestiegen. Die derzeitige Kreditfinanzierung von 30 Prozent sei aber nicht spekulativ, betont Bauernfeind, sondern "eine sinnvolle Möglichkeit zur Optimierung der Rendite über Steuervorteile und den Leverage-Effekt".
Unterschiedliche Qualitäten
Doch es gibt auch Kritiker des anhaltenden Booms. Der Architekturwissenschafter Christian Kühn von der TU Wien ist so einer. Gewisse Unternehmen würden bewusst in Städten wie Wien und Graz bauen, weil sich ohnehin alles vermieten lasse, sagt er zum Standard. Es gebe zwar natürlich unterschiedliche Qualitäten am Markt, aber einige Player würden qualitativ "unter jeder Kritik befindliche Produkte liefern". Die Gefahr sei, dass Menschen Wohnungen kaufen, um Geld anzulegen, ohne sich selbst ein Bild von der Wohnung zu machen oder sich den Plan des Hauses anzuschauen.
Viele Wohnungen, die auf den ersten Blick gut aussehen, würden sich auf den zweiten Blick als Reinfall erweisen, sagt er und erzählt von Vorsorgewohnungen, die nordseitig oder in einen düsteren Hinterhof orientiert sind und daher kein Sonnenlicht haben. Und Kühn, der auch Kommissär für den österreichischen Beitrag der 14. Architektur-Biennale in Venedig ist, berichtet von einer aufschlussreichen Begegnung bei der Besichtigung eines Wiener Vorsorgewohnungsprojekts: "Seien wir uns ehrlich", habe der Projektleiter zu ihm gesagt, "ich möchte auch nicht hier wohnen."
"Abenteuerliche Projekte"
Grundsätzlich sei es zwar nicht schlecht, dass privates Kapital in den Wohnbau fließt, sagt Kühn. Teilweise seien aber wirklich "abenteuerliche Projekte" am Markt. Er hofft nun darauf, dass die Kunden kritischer werden.
Laut EHL-Geschäftsführer Michael Ehlmaier ist das bereits eingetreten. Es werde nämlich längst nicht alles, was am Markt erhältlich ist, auch tatsächlich gekauft: Entwickler von überteuerten Projekten würden Enttäuschungen erleben, sagt er: "Vom Wertsteigerungspotenzial einer Lage müssen immer beide Seiten überzeugt sein."
Und Sandra Bauernfeind widerspricht Kühn, was die Qualität der Wohnungen betrifft: Diese entspreche heutigen Standards, ihr sei auch keine erhöhte Häufung von Mängeln bekannt. Und in den Planrechnungen seriöser Anbieter seien auch Investitionskosten, die nach einigen Jahren anfallen (neue Küche, Abschleifen der Böden etc.) berücksichtigt.
Quelle: Martin Putschögl/Franziska Zoidl, DER STANDARD, 15.3.2014