Nicht erst seit der US-Ökonom Richard Florida 2002 die "Kreative Klasse" in den Metropolen der Welt als wirtschaftlichen und kulturellen Motor angepriesen hat, ist es selbstverständlich, dass junge Menschen mit großen Ideen in die Großstadt ziehen, um diese dort zu verwirklichen - oder es zumindest zu versuchen. Auch in Österreich mit seinem Wiener Wasserkopf war und ist das nicht anders. Doch warum sollen Ideen nicht genauso gut auf Mostviertler Wiesen und an Klagenfurter Häfen gedeihen?

 

Genau dies beweist das junge Architekturbüro Alpenpendler, das sein Programm bereits im Namen trägt. Christoph und Barbara Abel gründeten das Büro 2010, gleich nach dem Studium, und teilen sich seitdem die beiden Standorte Klagenfurt und Strengberg im Mostviertel. Das regelmäßige Pendeln zwischen A und B sei dabei mehr Befreiung als Last, wie Barbara Abel betont: "Beim Zugfahren reden wir, entwickeln Projekte und lassen uns von der Landschaft inspirieren."

 

Rurale Tüftelei

 

Angesiedelt hat man sich beiderorts in Bürogemeinschaften - in Klagenfurt in einem idyllischen Altbau am Hafen 11, dessen Umbau die beiden Architekten selbst planten, und in Strengberg wird demnächst der Creative Space im Rathaus bezogen. Dieses Aufspüren von Potenzialen im Bestand ist eine Hauptmotivation für das junge Paar: "Im Mostviertel beschäftigen wir uns viel mit Vierkanthöfen und arbeiten gemeinsam mit Bauherren Ideen aus, die über bloße Sanierung weit hinausgehen", sagt Abel.

 

Eine rurale Tüftelei, bei der mal vergessene Techniken des Holzfärbens wiederentdeckt werden, mal Bauherren, die dem elterlichen Hof ein Einfamilienhaus dazugesellen möchten, von den beiden Alpenpendlern dann jedoch überzeugt werden, stattdessen doch einfach den Hof weiterzubauen. Das Resultat ist - dank der fast an architektonische Mimikry grenzenden Zurückhaltung - in der Mischung etwas komplett Neues.

 

Dorferneuerung und Sommerdrink

 

Überzeugen aus Begeisterung: Das versuchen die Architekten nicht nur beim Hausbau, sondern ganz generell. In Strengberg engagieren sie sich mit Bürgerbeteiligung und Dorferneuerung für die Belebung des von Leerstand geplagten Ortskerns, in Kärnten wiederum bei der Architekturvermittlung in Schulen. Und sogar einen Sommerdrink, dessen Rezept patentiert wurde, haben sie schon kreiert.

 

"Uns interessieren die Prozesse hinter dem Werk, in die man sich einklinken kann", meint Abel und zählt auf: "Wo gibt es wirtschaftliche Entwicklungen? Welche kreative Infrastruktur braucht eine Gegend? Wir wollen Verantwortung zeigen und uns an den Orten, aus denen wir kommen, engagieren. Gerade im ländlichen Raum kann viel passieren."

 

Kreative Klassen müssen nicht in Mariahilf, Soho und der Lower East Side entstehen. Man kann auch, um bei der ländlichen Metapher zu bleiben, den Nährboden für baukulturelles Gedeihen an jedem Ort selbst aussäen. (Maik Novotny, DER STANDARD, 8.2.2014)

 

Kurz & bündig

 

Ihr Büro in drei Worten? Jung, humorvoll, Qualitätsanspruch.

Der beste Ort für Ideen? Im Zug, beim Pendeln.

Bleistift oder Computer? Modell.

Wie viel arbeiten Sie? Ausreichend.

Was würden Sie gerne bauen? Unterschiedlichstes.

Ihr größter Erfolg? Den Spaß an der Architektur zu erhalten und vermehren.

Ihre größte Niederlage? Ein fertig geplantes Projekt, das nicht realisiert wurde.

Ihr Lieblingsurlaubsland? Lendhafen und Wörthersee.

Letzter Gedanke am Abend? Morgen ausschlafen ...

Alternativjob zur Architektur? Machen wir schon! Wir erfinden Möbel und Getränke!

 

 

Quelle: derstandard.at