Der Orbi Tower im Wiener Büroviertel TownTown soll ein Niedrigenergiehaus mit fast 23.000 m² Bruttogeschoßfläche werden. Baubeginn ist frühestens im September 2014
TownTown, das Wiener Büroviertel mit dem Namen, der jedem English Native Speaker ein doppeltes Fragezeichen in die Stirnrunzeln zaubert, kommt langsam zu einem Ende. Am Mittwoch präsentierte die Immobiliendevelopment Wiener Stadtwerke BMG & STC Swiss Town Consult AG den sogenannten Orbi Tower, der nun die letzte von insgesamt 19 Parzellen ausfüllen soll. Eine Landmark solle es werden, versprach Ernst Machart, Vorstandsvorsitzender der Aktiengesellschaft mit dem unaussprechlich langen Namen. Die Pläne und Renderings deuten darauf hin, dass der Wunsch ein hehrer ist.
Mit 21 Geschoßen und knapp 80 Metern Gebäudehöhe ist der Orbi Tower, dessen Grundriss an ein geblähtes, gleichseitiges Dreieck erinnert, um ein Alzerl niedriger als der 2010 vollendete, mächtig schwarze Stadtwerke-Turm, der wenige Meter neben dem vorgesehenen Baugrundstück steht. Von Flughafenautobahn und Südosttangente kommend wird man diesen daher auch in Zukunft als Erstes erblicken. Der Status "Landmark" ist damit schon vergeben.
"Ein attraktiver Schlussstein"
Architekt Christoph Zechner, Geschäftsführer der Zechner & Zechner ZT GmbH, die sich in einem zweistufigen Wettbewerb gegen 18 internationale Büros durchsetzen konnte, sieht das freilich anders. "Die weiche Form ist Resultat eines gestalterischen Dialogs mit den Kurven des Autobahnknotens", sagte er in der Pressekonferenz. "Und die horizontalen Linien, die das Gebäude klar strukturieren, bringen etwas Dynamik in den Turm. Damit erhält TownTown einen attraktiven Schlussstein."
Attraktiv sind zweifelsohne die Zahlen. Die Immobiliendevelopment Wiener Stadtwerke BMG & STC Swiss Town Consult AG, an der die Wiener Stadtwerke 44 Prozent, die STC Swiss Town Consult 30 Prozent und die Donau-Finanz 26 Prozent halten, entwickelte in TownTown bisher 108.000 Quadratmeter, und zwar als Public Private Partnership (PPP) mit der Stadt Wien. Ein großer Teil der Flächen wird von vier unterschiedlichen Magistratsabteilungen und stadteigenen Unternehmen wie etwa Wien IT, Wien Energie und Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) gemietet. Mit dem geplanten Orbiturm kommen weitere 22.700 Quadratmeter Bruttogeschoßfläche hinzu.
Stadt als Mieterin
"Die künftigen Mieter sind noch offen", sagte Machart. "Aber wir sind zuversichtlich, dass wir in kurzer Zeit eine wesentliche Auslastung haben werden. Ich könnte mir vorstellen, dass ein Teil der Flächen von den Wiener Stadtwerken genutzt wird." Schon wieder muss, wie es scheint, die Stadt als Mieterin ihres eigenen PPP-Projekts herhalten. Betont aber: Auch mit anderen Interessenten sei man bereits im Gespräch. Der Baubeginn erfolgt, sobald die Vorvermietung abgeschlossen ist.
Die zeitlichen Eckdaten - Baubeginn September 2014 und Fertigstellung Anfang 2016 - sind daher eher als grobe Richtwerte anzusehen. Die geplanten Baukosten für den Turm liegen bei 45 Millionen Euro, das Gesamtinvestitionsvolumen beläuft sich damit auf 70 bis 75 Millionen Euro. Die Mieten werden sich nach Auskunft von Urs Waibel, Managing Director der STC Swiss Town Consult Development GmbH, bei durchschnittlich 17,30 Euro pro Quadratmeter bewegen. Das wiederum soll langfristig eine Rendite von 5,25 Prozent sichern.
Angestrebt: ÖGNI-Silber
Künftige Mieter können sich vor allem über niedrige Betriebskosten freuen. Geplant ist, den gläsernen Niedrigenergie-Turm mit Fernwärme, Fernkälte, Betonkernaktivierung und Außenjalousien mit Lichtlenkung auszustatten. Damit soll der Primärenergiebedarf gegenüber einem konventionellen Neubau um 60 Prozent reduziert werden. Angestrebt ist eine ÖGNI-Zertifizierung "mit mindestens Silber", so Waibel.
"Ich bin mit dem Projekt beziehungsweise mit dem Wettbewerbsergebnis sehr zufrieden", sagt Marta Schreieck, Juryvorsitzende des Architekten- Expertenverfahrens. "Die Bauaufgabe war schwierig, und so gesehen war das im Rahmen der Möglichkeiten die mit Abstand überzeugendste Lösung." Nach einer kurzen Pause jedoch: "Wiewohl ich dem Vorgängerprojekt von Coop Himmel-b(l)au durchaus nachtrauere."
Zur Erinnerung: Schon einmal gab es für das Grundstück neben dem Autobahnknoten ausgearbeitete Pläne für ein Bürohochhaus. Das Wiener Architekturbüro Coop Himmelb(l)au hatte einen 128 Meter hohen Tower mit Fotovoltaik-Fassade und Windturbinen zur Stromerzeugung vorgesehen. Das Projekt wurde sogar mit dem Mipim Award 2010 in der Kategorie "Sustainability" ausgezeichnet. "Dieses würde die architektonischen Mängel von TownTown überstrahlen", meinte der damals zuständige Planungsstadt Rudolf Schicker noch voller Euphorie.
"Wien ist Zwergpudelstadt"
Doch dann kam für das 67-Millionen-Euro-Projekt - die STC spricht im Rückblick heute von 155 Millionen Euro - das Aus. Aus finanziellen Gründen, wie es offiziell heißt. Und weil man sich plötzlich das Umwidmungsverfahren sparen wollte.
"Alle Kosten- und Umwidmungsargumente, die jetzt vorgebracht werden, sind eine Lüge", sagt Wolf Prix, der betroffene Architekt, auf Anfrage des STANDARD. "Wien ist halt eine Zwergpudelstadt."
Nun also alles anders. Rudolf Zabrana, Bezirksvorsteher-Stellvertreter und selbst auch Jurymitglied des nunmehrigen Expertenverfahrens, steht fest hinter dem "innovativen" Projekt von Zechner & Zechner. Und vor allem hinter seiner Vision für "Neu-Erdberg", wie das Viertel rund um TownTown in Zukunft heißen soll. Er spricht von Cafés, Restaurants und öffentlichen, belebten Plätzen. Die Gegenwart sieht dagegen bitter aus.
Entrückte Stadt
Die ersten Ideen, die U-Bahn-Gleise in Erdberg zu überbauen, reichen bis in die Achtzigerjahre zurück, als die U3 vom Volkstheater bis nach Wien- Landstraße errichtet wurde. Auf Basis eines städtebaulichen Wettbewerbs entstand in den folgenden Jahren eine entrückte Stadt über der Stadt - in fast neun Metern Höhe. Zur Überwindung der vertikalen und mentalen Barriere dienen Outdoor-Treppen und Lifte. Bis heute hat der Bürostandort kaum urbanes Leben entwickelt. Geht es nach den Investoren, soll sich das mit dem 19. und damit vorerst letzten TownTown-Projekt ändern.
Ursprung: derstandard.at