Die einen klagen über den drohenden Verlust des charakteristischen Stadtbilds, die anderen über vermeintliche Behördenwillkür: Die Aufregung um den geplanten Abriss des Gründerzeithauses Hetzgasse 8 im dritten Bezirk geht in die nächste Runde. Am Mittwoch beschloss der Ausschuss für Stadtentwicklung das Einrichten einer Schutzzone im Weißgerber- und Radetzkyviertel. Abbrüche sollen fortan nur noch im Rahmen eines besonderen Genehmigungsverfahrens bewilligt werden. Im Herbst wird das der Gemeinderat offiziell beschließen, heißt es aus dem Büro von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. Schon seit März herrscht daher ein Baustopp im Gebiet – auch an der Hetzgasse 8, wo die Abrissarbeiten bereits seit Jänner im Gange waren. Der Eigentümer, die Soulier Management GmbH, hat dagegen nun Beschwerde beim Verwaltungsgericht eingereicht und hofft auf eine schnelle Entscheidung. Die Frage sei nämlich, ob begonnene Abbrucharbeiten nach Inkrafttreten einer Bausperre fortgeführt werden dürfen.
Niedrigenergiehaus geplant
Die Vorgeschichte: Die Soulier Management GmbH plant den Abriss des Objekts mit 23 Substandard-Wohnungen, das einst der Stadt Wien gehörte, und die Errichtung eines Niedrigenergiehauses mit 56 Mietwohnungen. Doch die Bewohner des Bestandsgebäudes wehrten sich und erhielten Unterstützung der Wiener Grünen. Diese bauten im Wahlkampf vergangenen Herbst direkt vor dem Haus ihren Miethai auf um auf die Problematik von Spekulation hinzuweisen. Gegen die Vorwürfe wehrt man sich bei Soulier: "Im Gegenteil. Die künftigen Wohnungen werden weder parifiziert noch verkauft, sondern vermietet und im langfristigen Besitz gehalten", sagt Eigentümerin Ingrid Soulier. Mittlerweile ist das Haus bestandsfrei: Im April zogen mit der Familie Schilk die letzten Mieter aus. "Wir haben nicht das erreicht, was wir uns für unsere Wohnung gewünscht haben", sagt Andreas Schilk heute. Er wurde 1968 in dem Haus geboren und hat sein ganzes Leben in dem Haus verbracht. Laut eigenen Angaben steckte er in den 1990er-Jahren viel Geld in die Sanierung seiner Wohnung.
Unterschriften gesammelt
Die Schilks haben 450.000 Euro Ablöse für ihren unbefristeten Mietvertrag erhalten. Das klinge zwar nach viel Geld, so Schilk. Doch er müsse nun auch eine weitaus höhere Miete zahlen, endlos würde diese Summe also nicht reichen. Die Hetzgasse 8 sei für ihn nun jedenfalls erledigt – auch wenn er durch Medienberichte und Anrufe "Wildfremder" immer wieder daran erinnert werde. "Am liebsten würde ich das Thema aber gar nicht mehr mitkriegen." Für den Erhalt von Gründerzeithäusern und gegen Spekulation will Schilk sich aber auch in Zukunft einsetzen. Erst vor wenigen Wochen übergab er Maria Vassilakou 1600 Unterschriften der Initiative "Schützt Gründerzeithäuser vor Spekulation".
Barrierefreiheit und Kinderspielplatz
eschäftsführer Clemens Bauer spricht im Zusammenhang mit der Hetzgasse 8 von Behördenwillkür: "Gegen den Anspruch auf Rechtssicherheit für einen privaten Bauträger wird verstoßen." Denn seit Ende 2014 werde das Haus bei der MA 37 als Abbruch- und Neubauprojekt geführt. Mitte Jänner sei die MA 64 zu dem Schluss gekommen, dass ein Neubau im "öffentlichen Interesse" sei. Denn die Bausubstanz sei schlecht, die Anzahl der Wohnungen würde sich im Neubau verdoppeln, Barrierefreiheit gewährleistet und bessere Grundrisse geschaffen. Zudem sind eine Begrünung der Fassade und ein Kinderspielplatz im Hof geplant.
Weiter optimistisch
Eigentlich hätte Ende März mit dem Rückbau des Daches begonnen werden sollen. Aussteifungsarbeiten wurden dann trotz Bausperre noch gemacht, "weil sie nötig waren", sagt Ingrid Soulier. Eine Anzeige wegen Missachtung der Bausperre folgte. Das Landes-Verwaltungsgericht prüft nun, ob diese Aussteifungsarbeiten rechtens waren – oder ob man damit gegen die Bausperre verstieß. Die Frage sei, wer für den Schadenersatz aufkommt, sagt Bauer, denn mittlerweile sei man etwa ein halbes Jahr in Verzug. "Mir wurde schon gesagt, ich soll das Haus an einen Bauträger mit besseren Beziehungen zur Stadt Wien verkaufen", sagt Ingrid Soulier. "Wenn man so mit Leuten umspringt, werden manche irgendwann sagen: Ich baue nur noch in Deutschland", sagt Bauer. Und werden Wohnungen in Wien aufgrund fehlender Bautätigkeit noch knapper, dann würden auch die Preise weiter steigen. Bei Soulier hofft man nun, so bald wie möglich weiterarbeiten zu können: Im besten Fall könnten die Wohnungen im ersten Quartal 2018 bezogen werden. Denn das Schaffen von Wohnraum liege ja auch im Interesse der wachsenden Stadt.