Die großen Maklerhäuser weisen seit Jahren ganz ähnliche Leerstandsraten für den Wiener Büromarkt aus. Das ist kein Zufall, denn sie stimmen ihre Ergebnisse untereinander ab
Wien - Die Vermietungsleistung am Wiener Büromarkt ließ zuletzt kaum zu wünschen übrig. 2012 wurden laut den jüngsten Marktberichten von EHL, Otto und CBRE Flächen von mehr als 260.000 m² nachgefragt, und auch heuer soll es auf diesem Niveau weitergehen. Der Schönheitsfehler dabei: Die Umsätze kommen nach wie vor überwiegend durch Umzüge zustande. Für jede Neuvermietung werden also anderswo Flächen frei - oft auch mehr, als neu angemietet werden.
"Vorgetäuschte Genauigkeit"
Dass die Leerstandsrate offiziell dennoch nur knapp sieben Prozent beträgt, ist einerseits auf die schwache Neuflächenproduktion zurückzuführen. Andererseits wird die Verlässlichkeit dieser Zahlen immer stärker in Zweifel gezogen. Insbesondere an den einschlägigen Berechnungsmethoden häufen sich in der Branche die Zweifel. Von einer "bloß vorgetäuschten Genauigkeit" spricht etwa Andreas Gnesda, Geschäftsführer des Bürodienstleisters TeamGnesda.
Wie die Leerstandszahlen zustande kommen, erklärt Alexandra Ehrenberger, Gewerbeimmo-Experten bei EHL Immobilien: "Die Berechnungen der Makler basieren auf der Gesamterhebung des Büromarkts, die die Stadt Wien vor 15 Jahren durchführen ließ." Seither werden, vereinfacht gesagt, Neuflächen addiert und verschwundene Flächen subtrahiert. Dabei stimme man sich durchaus mit den anderen großen Maklerhäusern ab; dass die Zahlen ähnlich hoch sind, ist also kein Zufall.
Für höchst unbefriedigend hält das Otto Kantner, Leiter der Marktanalyse bei Volksbank-Tochter Investkredit. Er ist seit den frühen 1990er-Jahren in die Erstellung von Büromarktberichten involviert, die regelmäßig Mietpreise, Neuflächen-Produktion und insbesondere auch den Flächenbedarf erheben - anhand von Prognosen über die Beschäftigungsentwicklung in Wien. Allerdings gibt es dabei Probleme: "Seit 2001 gibt es von der Statistik Austria keine Daten zu Büroarbeitsplätzen mehr. Gerade eine Verquickung dieser Daten mit den Büromarktdaten wäre aber sinnvoll."
"Leerstands-Definition fehlt"
Und was Kantner ebenfalls fehlt, ist eine klare Definition des Leerstands bzw. dessen, was unter einer "modernen Bürofläche" genau zu verstehen ist. "Dann könnte man auch eine klar nachvollziehbare Leerstandsrate eruieren. Wie es jetzt passiert, ist es viel zu vage." Er selbst verzichtet deshalb auf Leerstandsberechnungen.
Martina Paukner, Büromarkt-Analystin bei Otto Immobilien, verweist darauf, dass in ihrem Haus die Richtlinien der deutschen Gesellschaft für immobilienwirtschaftliche Forschung e. V. (GIF) zur Anwendung kommen, und zwar die "Definitionssammlung zum Büromarkt" in der Letztfassung vom Juni 2008. Diese sehen vor, dass grundsätzlich alle Flächen, die zum Erhebungszeitpunkt ungenutzt sind, in die Berechnung des Leerstands einfließen. Dazu gehören auch Flächen, "die zwar derzeit noch genutzt werden, bei denen aber bekannt ist, dass sie innerhalb der nächsten drei Monate verfügbar sind" - wenn also klar ist, dass der Mieter innerhalb der nächsten Monate ausziehen wird.
Nicht zum Leerstand dazugezählt werden müssen andererseits Flächen, die nicht aktiv am Markt angeboten werden, sowie solche, die zwar angeboten werden, aber nicht innerhalb der nächsten drei Monate bezogen werden können - was in erster Linie in Bau befindliche Gebäude betrifft. Ebenfalls nicht zu zählen sind Flächen, "die gar nicht mehr den modernen Anforderungen der Mieter entsprechen", so Paukner weiter.
Gemeinsame Maklerberichte
Kantner schlägt vor, dass sich die großen Maklerhäuser auf eine Definition einigen sollten. "Man könnte etwa sagen: Wie ist der Leerstand beim modernen Neubaubestand ab 1995? In Prag, Warschau und Budapest macht man das so."
Gemeinsame Marktberichte von Maklern und Investoren würde er begrüßen, zugleich ist ihm aber auch klar, dass ein solches Vorgehen unwahrscheinlich ist. "Die Marktberichte sind immer auch ein gewisser ,Wettlauf' der Makler, jeder veröffentlicht seine eigenen Analysen. Bisher konnten die Makler nicht dazu ermuntert werden, eine gemeinsame Darstellung zu veröffentlichen."
Möglicherweise kommt ja auch Abhilfe von anderswo: Bemühungen, Flächenberechnungen global zu vereinheitlichen, sind am Laufen (siehe Artikel). (Martin Putschögl, DER STANDARD, 7.9.2013)