Draußen vor dem Fenster entfaltet sich mit seinen nicht enden wollenden Nadelwäldern und seinen klamm zueinander rückenden Felsen die schroffe Landschaft des Montafons. Innen am Schreibtisch steigt zugleich ein harziger Holzduft in die Nase. Man riecht bereits die Superlative: Das kürzlich fertiggestellte Illwerke Zentrum Montafon, kurz IZM, ist mit seinen 10.000 Quadratmetern Nutzfläche das derzeit größte Holzhybridgebäude der Welt. So behaupten es zumindest die Auftraggeber, die Vorarlberger Illwerke AG.
Doch das eigentlich Interessante an diesem Projekt ist nicht die Größe, sondern seine Bauweise. Denn das IZM ist Resultat eines langjährigen Forschungsprojekts, aus dem bereits der achtgeschoßige Dornbirner Holzturm Life Cycle Tower One (LCT One) hervorgegangen war (Fertigstellung Ende 2012). Hinter dem Projektteam verbergen sich der Vorarlberger Architekt Hermann Kaufmann und das Vorarlberger Bauunternehmen Cree, eine Tochter der Rhomberg-Gruppe.
Bewährte Bauweise
Nachdem sich die neu entwickelte Verbundbauweise aus Holz, Stahl und Beton in Hinsicht auf Bauzeit und Kosteneffizienz bereits einmal bewährt hatte, beschlossen Kaufmann und Cree, die ausgetüftelte LCT-Elementbauweise hier ein zweites Mal einzusetzen. Mit Erfolg: Unter insgesamt 14 Teilnehmern (geladener Wettbewerb) konnten sie den Sieg für sich beanspruchen. Vor wenigen Wochen wurde der Bürobau schlüsselfertig übergeben.
"Um ehrlich zu sein, hatten wir keine andere Wahl", erinnert sich Christoph Dünser, Projektleiter im Büro Kaufmann. "Denn das Gebäude - so sah es der Masterplan vor - steht zu etwa einem Drittel im Pumpspeicherbecken, das dem Kraftwerksbetreiber zur Stromgewinnung dient. Und nachdem der künstlich geschaffene See fast permanent bewirtschaftet wird, hatten wir nur ein winziges Zeitfenster, in dem der Bau über die Bühne gehen musste."
Konkret: Nachdem die Fundamentierung und der Bau der beiden Stiegenhaustürme, die aufgrund der Brandschutzvorschriften in Beton ausgeführt wurden, abgeschlossen waren, wurde der gesamte, fünfgeschoßige Bürotrakt in nur sechs Wochen in den Himmel gestemmt. Danach startete der Innenausbau, der Arbeitsplätze für 280 Mitarbeiter, Kantine, Schulungsräume sowie ein Besucherzentrum umfasst, das jährlich von rund 15.000 Besuchern in Anspruch genommen wird.
Bauen nach Bausteinprinzip
Der gesamte Holzbau wurde nach dem Bausteinprinzip mit seriellen Komponenten errichtet. Auf verleimten, in die Fassade integrierten Stützen liegen Holz-Beton-Verbundelemente auf, die in der Mittelachse von einem Stahlträger gehalten werden. Die Holzfassade selbst ist zum Schutz vor Witterung und sommerlicher Überhitzung durch kupferverkleidete Vordächer geschützt. Zukunftsbonus: Sollte der Flächenbedarf eines Tages wachsen, so kann das Gebäude jederzeit um ein Geschoß aufgestockt werden. Die dafür notwendigen statischen Maßnahmen wurden bereits ergriffen.
"Fertigbauweise ist in diesen Höhenlagen oft die einzige Möglichkeit", meint Dünser. "Konventionell hätten wir den Bau in dieser kurzen Zeit niemals errichten können." Doch die Bauweise mit den herbeigeforschten Wand- und Deckenmodulen aus Holz und Stahl hat noch einen weiteren Vorteil: Die Bauungenauigkeit über die Gesamtlänge des Hauses beträgt gerade einmal 15 Millimeter. Von solchen Zahlen kann man im Massivbau nur träumen.
Nachhaltiges Projekt
"Dass wir uns für diese Bauweise entschieden haben, war in erster Linie eine Vernunftentscheidung", sagt Helmut Mennel, Vorstand der Vorarlberger Illwerke AG, im Gespräch mit dem Standard. "Aber natürlich wollen wir mit diesem Projekt auch ein Zeichen für andere Unternehmen setzen." Das 21-Millionen-Euro-Projekt (Gesamtinvestitionssumme 30 Millionen Euro) ist nämlich ein Passivhaus.
Der Heizwärmebedarf liegt bei 14 kWh/m2a, der Gesamtprimärenergiebedarf bei knapp unter 30 kWh/m2a. Geheizt wird mit der Abwärme der Kraftwerkgeneratoren, die Kühlung erfolgt mit dem Wasser aus dem angrenzenden Pumpspeicherbecken. Das IZM wurde als Green Building des US Green Building Council (USGBC) ausgeführt. Demnächst soll das Projekt mit ÖGNI Gold zertifiziert werden.
Auch bei der Beleuchtung wurde auf Nachhaltigkeit Wert gelegt: Das gesamte Beleuchtungskonzept des IZM basiert auf LED. Der Großteil der Leuchten ist an Tageslichtsensoren und Bewegungsmelder angeschlossen. Sogar die minimalistische Kunstinstallation von Miriam Prant, die im Foyer an der Decke flackert, besteht aus LED-Leuchten. "Ein Gebäude dieser Art mit LED auszustatten verursacht Mehrkosten von etwa 20 Prozent gegenüber einer herkömmlichen Beleuchtung", rechnet Mennel vor. "Man gibt kurzfristig mehr Geld aus, damit man bei den Energiekosten langfristig massiv einsparen kann."
Selten: Bürohaus in Holz
Noch sind Bürogebäude in Holz und Holzverbundbauweise in Österreich eine Seltenheit. "Im Hallenbau und da vor allem bei Supermärkten ist der Einsatz von Holz als konstruktiver Baustoff schon sehr weit verbreitet", erklärt Dieter Lechner vom Fachverband Holzindustrie. Bis heute gibt es keine evaluierten Zahlen. Nur so viel sei sicher: "Im Wohnbau liegt der Marktanteil der Holzbauten bereits bei zehn Prozent. Da hinken die Bürobauten noch weit hinterher", so Lechner.
Quelle: Wojciech Czaja, DER STANDARD, 18.1.2014